Die Engel mit den weißen Hauben
Vom Leben und Wirken der Diakonissen in Kleinheubach
Für die so genannte „Babyboomer“-Generation, waren sie eine Selbstverständlichkeit und in der Kindheit eigentlich immer da. Die evangelischen Schwestern, die Diakonissen mit ihren typischen weißen Hauben. Viele aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, z.B. aus Schlesien und Ostpreußen geflüchtet, bzw. vertrieben, standen sie lebenslang im Dienste der Kirchengemeinden, in die sie vom jeweiligen Mutterhaus entsandt wurden. Es ist beeindruckend, wie diese Schwestern, diese überaus starken Charaktere, ihr Schicksal gemeistert haben! Vertrieben, verleumdet, gequält, fern der Heimat, ohne Familie, oft dem Tode entgangen, kamen sie zu uns, um in Nachkriegsdeutschland zu helfen, wo es nötig war. Und dies unter Verzicht eines eigenen Privatlebens, einer eigenen Familie.
Über Deutschland verteilt, gab es verschiedene Mutterhäuser. Bei uns in Kleinheubach wirkten die Schwestern des Mutterhauses „Lehmgruben-Breslau“, die nach Ihrer Flucht zunächst im Kloster Triefenstein untergekommen waren und später ihr neues Mutterhaus in Marktheidenfeld errichteten. In unserer Kirchengemeinde haben diverse Lehmgrubener Schwestern gewirkt und viele von uns haben sicherlich die unterschiedlichsten Erinnerungen daran, die es zu erhalten gilt.
Es wäre schön, wenn diese Seite sich zu einer Art „Projekt“ entwickelt und sich nach und nach mit Erinnerungen füllt. Vielleicht findet sich ja auch die eine oder andere jüngere Person, die ältere Herrschaften dabei unterstützt, die Erinnerungen hier niederzuschreiben.
Erinnerungen:
„Meine“ Schwester Elsbeth, unsere zierliche aber durchsetzungsstarke Kindergartenleiterin. Sie hat gelobt, sie hat getröstet, aber auch gerügt. In ewiger Erinnerung bleibt mir ihre Anteilnahme, als ich mich bei ihr heulend beschwerte, daß mir andere Kinder die Streusel von meiner geliebten Zunge (für Nicht-Kleinheubacher: Streuselstückchen) runtergegessen haben. Oder wie sie im Sommer draußen im Hof dabei half, unsere Kindergartentäschchen oben, an dieses eiserne Hoftor zu hängen. Oft waren wir noch zu klein dafür. Oder es ging Hand in Hand im Gänsemarsch zum Spielplatz Richtung Wassersport.
Und da war Schwester Frieda, die stattliche Diakonisse mit markanter Stimme, die ihre Krankenbesuche mit einem alten, großen Herrenrad bestritt und mit wehender Haube durch den Ort jagte.
Klaus Franke
Nicht vergessen darf man natürlich auch Tante Kätchen, die im Kindergarten mit der Schwester Elsbeth gearbeitet hat. Die waren ein Leben lang zusammen, die Schwester Elsbeth und Tante Kätchen. Die haben immer so Anteil genommen an der Familie. Ich seh sie noch vor mir.
Jedes Weihnachten sind wir in die Kirche. Da haben wir immer das Lied gesungen „Es kommt ein Schiff geladen“.
Die waren immer interessiert an der Familie. Die haben auch mit den Leuten viel Kontakt gehabt.
Die Schwester Frieda war eine lustige. Als unsere Tochter geboren war, hat sie gefragt, ob wir schon einen Namen haben. Ich habe gesagt, „Wir überlegen noch“. Da hat Schwester Frieda gesagt: „Nennen Sie sie einfach Pfannenstielchen!“
Gitti Schüßler
Wir sind ausgebüxt aus dem Kindergarten. Unten am Bach haben wir gespielt und haben auch ein Feuerchen gemacht. So nach ein bis zwei Stunden sind wir wieder gekommen. Schwester Frieda hat uns dann zur Strafe auf den Schrank gesetzt.
Bernd Dietrich
Wenn Du Bauchweh gehabt hast, ist die Schwester Susanne gekommen. Du hast bei den Schwestern geschellt und dann ist die gekommen. Du konntest Tag und Nacht kommen.
Wenn Du geerntet hast, bist du bei den Schwestern vorbei und hast dann mal einen Sack Kartoffeln gebracht. Ich kann mich nicht entsinnen, dass meine Eltern etwas bezahlt haben, nur Obst und Gemüse oder so.
Gerlinde Lungavita
Jeden Samstag ist Schwester Frieda zu meiner Tante gekommen und da hat sie immer einen halben Berches bekommen.
Ruth Morgenroth
Der Nachbarsbub hatte mir ein Küßchen auf die Wange gegeben. Zur Strafe bin ich dann in die Toilette eingesperrt worden, zwei Stunden lang. Ich hab so eine Angst gehabt da drin. Es war das schlimmste Erlebnis, was ich im Kindergarten erlebt habe. Heute verstehe ich das sogar. Die Frauen waren durch den Krieg schwer traumatisiert.
Ulricke Fischer
Sie haben eigene Erinnerungen an die Kleinheubacher Diakonissen? Schreiben Sie uns, wir freuen uns, wenn wir Ihre Erinnerungen hier veröffentlichen können! Bitte wenden Sie sich an Pfarrer Sebastian Geißlinger (sebastian.geisslinger@elkb.de) im Ev. Pfarramt.
Laut Archiven waren nachweislich in unserer Gemeinde tätig:
Schwester
Elsbeth Renner
Frieda Kalkbrenner
Susanne Demmig
Martha Rother
Martha Kirchner
.
*1906 / +1996
*1911 / +1996
*1897 / +1982
*1905 / + ?
*1907 / + ?
In Kleinheubach tätig:
1947 – 1978
1971 – 1981
1951 – 1967
ab 1969
unbekannt

Verabschiedung der Gemeindeschwestern aus Kleinheubach: Von links nach rechts: Schwester Elsbeth, Schwester Susanne, Rektor Irmler (Diakonissenmutterhaus Marktheidenfeld), Schwester Frieda, Pfr. Frömel (kath.), Oberin Luise Deutschmann, Bgm. Holl, Pfr. Breier

Nachdem das Diakonissen-Mutterhaus in Marktheidenfeld geschlossen worden ist, befindet sich mittlerweile auch der dortige Diakonissen-Friedhof in Auflösung. Engagierte Bürger haben dafür gesorgt, dass die Grabplatten von zwei Schwestern, die besonders eng mit Kleinheubach verbunden sind, Schwester Elsbeth Renner und Schwester Frieda Kalkbrenner, ein neues Zuhause auf dem Kleinheubacher evangelischen Friedhof bekommen. Eine Tafel erinnert dort an ihr Wirken.